Unternehmen sollten es sich sehr gut überlegen, ob sie mit einem Call Center Geld zu sparen versuchen. Es mag sein, dass der sensiblere Teil ihrer Kundschaft darüber so ärgerlich wird, dass er diesem Unternehmen den Rücken kehrt. Oder der vergesslichere Teil. Denn will man etwa als Kunde der Direktbank der Frankfurter Sparkasse eine neue EC-karte bestellen, muss man drei Zahlen im Kopf oder griffbereit haben: die siebenstellige Kundennummer, die fünfstellige PIN-Nummer und die sechstellige Telefongeheimzahl für telefonische Bankgeschäfte. Und bitte immer schön die Raute drücken. Es soll Kunden geben, die solche Prozeduren aggressiv machen.

Das Energieunternehmen Süwag treibt noch ganz andere Kapriolen. Es verschickt namentlich adressierte Briefe, versehen mit der Unterschrift eines Mitarbeiters. Will der Kunde für eine Rücksprache mit diesem Mitarbeiter, der ihm ja persönlich schrieb, reden, so landet er in einem Call Center, das ihn nicht mit dem Mitarbeiter verbinden kann. In solchen technisch ausgerichteten Unternehmen, die einen Kunden wahrscheinlich per se als lästig empfinden, ist das zwar ärgerlich, aber noch gerade nachzuvollziehen.

Wie aber eine Bank, deren größtes Kapital doch das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Kunden ist und in Mitarbeiterseminaren von People-to-People-Business faselt – wie die ihr Kapital in Call Centern aufs Spiel setzt, wo man neunzehn (19) Knöpfe gedrückt haben muss, ehe man mit einem Menschen spricht, der verstehe, wer will.

Dass nicht alle Call Center schlecht arbeiten, wissen wir. Wie sich herausgestellt hat, kann das, was bei Banken als Ärgernis empfunden wird – eben die Legitimation durch drei Ziffernfolgen – gefährlich werden, wenn man nicht danach verlangt. Da nämlich ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Aus dem Dilemma würde helfen, auf Call Center grundsätzlich zu verzichten. Und bitte erst gar nicht den Versuch unternehmen, diese Reste an persönlicher Kommunikation, die immerhin am Telefon noch möglich ist, ins Internet zu verlegen.

Wer siche in Bild von kompletter Unübersichtlichkeit machen mag, der sollte sich die Website von 1und1 anschauen. Und still verzweifeln.

(Aus der FAZ vom 28. Mai 2010 – Nr. 121 Seite 51)