In den 23 Jahren meiner Selbständigkeit habe ich über 1.300 Verkäufer direkt im Tagesgeschäft begleitet. Oder anders ausgedrückt: wir sind am Morgen gestartet und haben im Laufe des Tages Kunden- und Interessententermine wahrgenommen. Dazu gehörten Termine, die vom Verkäufer direkt oder vom Bereich Inside-Sales vereinbart wurden. Zusätzlich haben wir Kalttermine wahrgenommen, die wir spontan vor Ort durchführten.
Für Teamleiter bzw. Verkaufsleiter stellt sich ja immer die Frage, ob die im Training gesteckten Ziele auch tatsächlich vor Ort umgesetzt werden.
„Werner, hier draußen sieht die Welt völlig anders aus als auf den Verkaufstrainings,“ war einer der Sätze, die ich sehr oft von den Teilnehmern gehört hatte. Daraufhin hatte ich mich ja entschlossen, die Verkäufer persönlich im Tagesgeschäft zu begleiten um festzustellen, was von dem Erlernten alles umgesetzt wird.
Das Ergebnis war erschreckend. Alle guten Vorsätze gingen im Tagesgeschäft unter. Ich hatte den Eindruck, dass nichts von unseren Themen hängen geblieben war. Da werden spezielle Trainings angeboten, lange über Verkaufsquoten nachgedacht und verhandelt, Rollenspiele geübt und in der Präsentation beim Kunden ist das ganze Wissen nicht mehr vorhanden.
Deswegen empfehle ich ja den Verkaufsleitern dringend (!!!), dass sie in regelmäßigen Abständen ihre Verkäufer begleiten um herauszufinden, was vor Ort tatsächlich passiert.
Erst durch die Begleitung im Tagesgeschäft setzten die Verkäufer die erarbeiteten Themen aktiv um und das Ergebnis? Mehr Termine und mehr Aufträge!
Heute will ich Ihnen von dem schlechtesten Verkaufsgespräch berichten, bei dem ich zugegen war.
Mit dem Verkäufer, nennen wir ihn Joachim, hatte ich mich morgens um acht Uhr zu einem gemeinsamen Kaffee verabredet. Bei diesem Kaffee hatten wir die Ziele des Tages besprochen. Der Tag bestand aus vier Terminen – drei Termine hatten wir bei bestehenden Kunden und einen Termin bei einem Interessenten. Ein wichtiges Ziel von Joachim bestand darin, neue Kunden zu akquirieren.
Joachim erzählte mir, dass der Interessent Geschäftsführer eines Handel-Unternehmens war und er sich mit dem Thema „Cloud Computing“ beschäftige, da er eine bestimmte Anwendung auslagern wolle. Er definierte das Gespräch als ein „Entdeckungsgespräch“ – er wollte bestimmte Fragen stellen, um die Ängste und Schmerzen des Interessenten zu entdecken.
Wir machten uns auf den Weg und im Unternehmen angekommen, führte uns der Assistent vom Geschäftsführer in den Besprechungsraum. Kurze Zeit später kam der Geschäftsführer Peter Schneider. Joachim, unser Verkäufer, machte in den ersten fünf Minuten einen hervorragenden Job (das Meeting war insgesamt angesetzt auf 90 Minuten). Er stellte viele offene Fragen, die auch von Peter Schneider alle beantwortet wurden.
Plötzlich jedoch unterbrach Peter Schneider die Fragestunde und fragte Joachim: „Wie unterscheidet sich Ihr Angebot von den Lieferanten A, B und C?“
Verkäufer Joachim schaute ganz verwirrt und ehe er etwas sagen konnte, führte der Geschäftsführer fort: „Mit vielen Ihrer Vertriebskollegen habe ich mich in den vergangenen Monaten getroffen. Wenn ich noch ein weiteres Meeting habe wie dieses hier, dann wird mir ganz übel. Geht Ihr Verkäufer eigentlich alle auf das gleiche Verkaufstraining und lernt nur die gleichen Standardfragen und Methoden kennen?“
Joachim, unser Verkäufer, der mir von seinem Teamleiter als ein „A-Verkäufer“ vorgestellt wurde, antwortete:
„Ich verstehe Sie, Herr Schneider. Aber unser Produktangebot ist wirklich schneller, besser und auch noch billiger, wenn Sie die Gesamtkosten betrachten.“
Das brachte den Geschäftsführer erst recht auf die Palme.
„Herr Reitz, ich habe mich mittlerweile mit 6 Verkäufern getroffen und jeweils 90 Minuten mit ihnen diskutiert. Das sind in Summe 9 Stunden Aufwand. Bisher konnte mit kein Verkäufer die Frage beantworten: Warum soll ich ausgerechnet bei Ihnen kaufen? Schneller, besser und billiger ist nun wahrlich keine Entscheidungsvorlage. Von Ihnen hätte ich nun wirklich erwartet, dass Sie mir einige neue Ideen aufzeigen.“
Das war’s! Ende und Aus! Überflüssig zu sagen, dass das Geschäft geplatzt war. Vom Interessenten kamen keine Rückmeldungen mehr, kein Telefonat, keine E-Mail.
Hier kommen vier Punkte, die ich anschließend mit den anderen Verkäufern trainiert habe:
1. Das wichtigste Gut für Führungskräfte ist die Zeit. Interessenten haben wenig Zeit. Den Termin zu bekommen, ist schon eine große Aufgabe, einen Präsentationstermin vor Ort noch herausfordernder. Zu einem erfolgreichen Verkaufsgespräch gehört, dass der Interessent neue Ideen und Ansätze hört, die er bisher noch gar nicht kannte. Daran wird in Zukunft die Qualität eines Interessentengesprächs gemessen.
2. Verkaufsleiter, Teamleiter, Vertriebsleiter sollten endlich damit aufhören, die Verkäufer einzuteilen in Topp-Verkäufer, Durchschnittsverkäufer und Unter-Durchschnittsverkäufer. Tests mit Befragungen, Checklisten, Marktstudien etc. sind völlig überflüssig. Warum? Das Unternehmen eines Kunden entwickelt sich im Tagesgeschäft so dynamisch, dass die so genannten Experten-Daten (Statistiken, Marktinformationen etc.) oft schon überholt sind, bevor sie veröffentlicht werden. Der einzig richtige Weg als Führungskraft die Unterscheidung zwischen Topp- und Jedermann-Verkäufer zu treffen ist, genau in dem Moment persönlich dabei zu sein, wenn im Entscheidungsgespräch die Daten und Fakten präsentiert werden. Deswegen: Coachen Sie Ihre Mitarbeiter!
3. Beim Training von Verkaufsteams reicht es nicht, nur von den Topp-Verkäufern zu lernen und deren Methoden anzuwenden. Warum? Siehe # 2. Trainieren Sie Ihre Mannschaft so, dass sie den Entwicklungsprozess des Käufers versteht und nachvollziehen kann. Wenn sie lernen, wie Ihre Zielgruppen Probleme sehen, werden sei mehr und größere Geschäfte machen.
4. Ich habe mit den Verkäufern erst einmal die Frage diskutiert: „Warum soll der Kunde bei uns kaufen?“ Das Ergebnis: 80% der Verkäufer konnten darauf keine Antwort geben. In entsprechenden Teamrunden haben wir die Stärken und Schwächen des Unternehmens aufgezeigt und einen Argumentationskatalog erstellt, der in Rollenspielen verfeinert wurde. Dadurch gewannen die Verkäufer mehr Sicherheit und verstanden endlich, wie differenzierte Gespräche geführt werden.
Schlüssel-Merkmale:
Prüfen Sie noch mal genau Ihr Trainingsbudget und fragen Sie sich: „Investiere ich Geld für die Belange des Kunden oder investiere ich in meine eigenen Interessen?“
Lernen Sie den Entwicklungsprozess des Käufers kennen. Lernen Sie, wie Ihr Interessent neue Wege entdeckt, Dinge anders und erfolgreicher zu machen.